Achim Freyer
MALER UND REGISSEUR –
13. Juli bis 17. August – im Museum Heylshof + im Kunstverein –
Der große Theatermann und Maler Achim Freyer feierte dieses Jahr seinen 80. Geburtstag. Grund genug, ihn in einer Doppelausstellung zu ehren: Im Museum Heylshof dokumentiert das Nibelungenmuseum die Arbeit als Regisseur, Bühnen- und Kostümbildner seiner zwei Ring-Inszenierungen in Los Angeles und Mannheim. Im Kunstverein Worms hingegen präsentiert Achim Freyer seine Malerei, ohne die seine einzigartige Bühnenkunst kaum zu verstehen ist. Das ganze Projekt ist eine Kooperation mit den Nibelungenfestspielen Worms und dem Nationaltheater Mannheim.
Katalogtext:
Achim Freyer – Maler und Regisseur
In diesem Jahre feierte der Berliner Künstler Achim Freyer seinen 80. Geburtstag. Als Regisseur, Bühnen- und Kostümbildner für Schauspiel und Musiktheater ist er noch immer auf der ganzen Welt fast rastlos unterwegs. Er ist berühmt und hat dem Theater wahrlich neue ästhetische Dimensionen eröffnet. Wie kaum ein anderer hat er eine malerische Bildsprache auf die Theaterbühne gezaubert und seine zweidimensionalen Bilder in eine dritte und vierte Dimension versetzt. Seine Figuren sind der Leinwand entsprungen und agieren als reale Lebewesen auf der Bühne. Man denkt an den antiken Bildhauer Pygmalion aus den ‚Metamorphosen‘ des Ovid oder an Carlo Collodis ‚Pinnochio‘, der vor allem in Freyers Mannheimer ‚Siegfried‘ neu belebt wurde.
Seit 1956 ist Achim Freyer als Maler (und Bildhauer) freischaffend tätig und war als bildender Künstler u.a. an der documenta 6 und der documenta 8 in Kassel beteiligt. Manchen mag Freyers Malerei weniger bekannt sein, denn seine glänzende Theaterlaufbahn überstrahlt die Leistungen als Maler, so dass diese Kooperation zwischen Nibelungenmuseum, Nibelungenfestspielen, Museum Heylshof, Nationaltehater Mannheim und Kunstverein für viele eine Überraschung darstellen kann.
Seit mehr als 50 Jahren pflegt Freyer die Malerei als eine eigenständige Kunst, meist an seinem zweiten Wohnort in der südlichen Toskana. Hier entfaltet sich eine Bildwelt zwischen geometrischer Abstraktion und figurativer Assoziation. Oft hat man Freyers durchaus rätselhafte Kunst mit dem Neoexpressionismus der 1980er Jahre in Verbindung gebracht, die – einem A.R. Penck vergleichbar – nach den menschlichen Archetypen forscht und sich dabei einer atavistischen, vielleicht auch kindhaften Figuration bedient.
Dies gilt vor allem für die seit 1996 entstandenen ‚Köpfe‘, die in beiden Teilen der Ausstellung einen großen Platz einnehmen und sich – bis auf wenige freundliche Ausnahmen – als ein Pandämonium präsentieren. Im Museum Heylshof sind die Entwürfe zu den Figuren in Wagners Ring zu sehen, zu Wotan, Siegfried, Erda, Freia und all den anderen ‚Dämonen‘ seiner beiden Ring-Inszenierungen in Los Angeles (2009f) und Mannheim (2011f). Hinzu kommen Modelle, Ablaufpläne, Kostüme und Requisiten beider Inszenierungen. Im Kunstverein hingegen werden andere, anonyme, doch sehr verwandte Physiognomien gezeigt.
Darüber hinaus zeigt der Kunstverein die geometrisch-abstrakten Bilder Achim Freyers, die nicht unmittelbar mit Theaterproduktionen in Verbindung stehen, so doch durchaus mit Bühnenbildentwürfen vergleichbar sind. Hier ist der Mensch von der Bühne getreten, regieren Linien, Formen und Formen, die nur manchmal eine konkrete Lesbarkeit besitzen. Manche dieser Bilder sind als Landschaften zu erkennen mit Horizonten, Bäumen und Architekturen. Andere lassen sich als Interieurs ansprechen, in denen Fenster oder Mobiliar zu erkennen ist. Wiederum andere sind als Studie zu Licht und Farbe zu verstehen.
Besonders geheimnisvoll sind die gänzlich gegenstandsfreien Bilder von Achim Freyer, die den Betrachter mit Gesten und emotionalen Psychogrammen konfrontieren, die sich mit einfachen Sprachbegriffen nicht mehr umschreiben lassen. Hier ließe sich von einem abstrakten Expressionismus sprechen, der in den 1950er Jahren, der Jugend des Künstlers, in der westlichen Welt modern war.
Hilfreich ist bisweilen der Blick auf die Biografie des Künstlers, denn Achim Freyer hatte sich in der DDR der sozialistisch-realistischen Kunst verweigert und einer weit abstrakteren Kunst verschrieben. Diese wurde als ‚westlich‘ diskreditiert, obwohl sie ganz aus einer inneren Genese heraus geboren war. In diesem Sinne lassen sich manche abstrakte Motive Freyers biografisch deuten: Oft erscheinen meist schwarze oder graue Raster in seinen Bildern, die er selbst durchaus als politische Symbole versteht, weil sie ein in der DDR typisches Lebensgefühl zum Ausdruck bringen, den Zwang zur Konformität und den Verlust der individuellen Freiheit. Bilder also, die Gitter zeigen, können als Gefängnisgitter nachempfunden werden. Bilder die ein horizontales Streifenmuster vor Augen führen, können als eine monoton wiederholte Negationslinie verstanden werden, als Sperre und Barriere.
Ganz ohne Motive, Gesten und erzählerische Momente und damit ohne biografische oder gar politische Deutungsmöglichkeiten sind die rein geometrischen Bilder Achim Freyers. Da sind Zeichnungen, die sich stereometrisch in den Raum öffnen und wie Ideenskizzen zu Bühnenbildern anmuten. Das aber sind sie nicht. Man kann in ihnen vielmehr freie Studien erkennen, die mit der Zentralperspektive spielen und das Verhältnis zwischen Körper und Raum untersuchen. Hier könnte man von einem Konstruktivismus sprechen. Manche Zeichnungen erinnern an den Vater dieser Richtung, an Wladimir Tatlin und die Zeit, als einige wenige Künstler während und nach der russischen Revolution 1918 auch an eine ästhetische Revolution glaubten.
Wiederum andere geometrische Bilder Achim Freyers verleihen der Farbe das Supremat, während die lineare Konstruktion zurücktritt. Diese Bilder sind (wie viele andere Werke auch) nur mit ihrem Entstehungsdatum betitelt. Sie untersuchen die räumliche Wirkung von Farben, ihr subtiles Vor- und Zurückspringen, wobei Diagonalen in der Fläche der Leinwand Türen zu öffnen scheinen und den Blick auf eine imaginäre Bühne ziehen. Vergleicht man nun diese Bilder mit ganz konkreten Bühnenbildentwürfen Freyers, erkennt man auch hier – wie bei den Figuren – die große Verwandtschaft. Beide Sphären gehören bei Achim Freyer einfach zusammen, denn auch seine Bühnenwerke sind letztlich eine Art Malerei, die konstruktivistisches Kalkül und expressionistische Emotion auf unverwechselbare Weise miteinander vereinen.
Dr. Dietmar Schuth