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Florin Sebastian Winkler

ABSTRAHIERTE ARCHETYPEN – 23.06. – 21.07. 2013 –

Katalogtext:

Schon 2005 zeigte der Kunstverein Worms Werke von Florin Sebastian Winkler in seiner Ausstellung „Siegfriede“. Acht Jahre später kehren seine alten Helden zusammen mit vielen neuen Werken in die Nibelungenstadt am Rhein zurück. Denn der Künstler hat diesem heroischen Epos aus sagenhafter Zeit eine echte Treue geschworen und beschäftigt sich seit vielen Jahren nahezu ausschließlich damit. Dabei bildet eine genaue philologische Kenntnis der drei überlieferten Handschriften die Grundlage eines jeden Bildes, das jeweils die betreffende Aventüre zitiert und illustriert.

Zunächst widmet Winkler den wichtigsten Hauptrollen ein eigenes Porträt: Siegfried natürlich sowie Kriemhild und Hagen. Auch Brünnhilde und Gunther erscheinen in ihren allseits bekannten Nebenrollen, sowie ein eher unberühmter Statist, der Kaplan des Königs. Weissagende Wasserfrauen hatten den nach Ungarn ziehenden Burgundern prophezeit, dass nur dieser nicht ins Verderben gezogen würde. Hagen will ihn darauf in der Hochwasser führenden Donau ertränken, doch der Kaplan überlebt durch ein Wunder und bestätigt so die Prophezeiung.

Winkler erzählt uns das in Worms wahrlich allgegenwärtige Epos auf seine ganz persönliche Weise und konzentriert sich auf Personen und Szenen, die ihn besonders interessieren. Und diese sind nicht immer die berühmtesten, so dass man das eine oder andere vermissen könnte, wenn man den Stoff zum Beispiel nur durch die Rezeption eines Richard Wagner kennt. Winkler erzählt seine eigene Geschichte, interessiert sich auch für dramatisch weniger brisante Momente wie den kleinen Zickenkrieg zwischen Kriemhild und Brünnhilde auf den Stufen des Wormser Domes oder die Lehensbeziehung zwischen Siegfried und Gunther.

Es wird deutlich, dass Winkler kein Illustrator des Nibelungenliedes sein will und auch die Chronologie der Ereignisse durchmischt. Es geht ihm nicht um ein Nacherzählen, sondern um eine Exegese des Geschriebenen. Denn die Figuren des Nibelungenliedes sind mehr als nur Teile einer fortlaufenden Handlung, sie verkörpern archetypische Charaktere und elementare Konflikte zwischen den Menschen, die auch im 3. Jahrtausend noch gelten. Hier sind es vor allem die bösartigen Seiten des Menschen, die Winkler in seinen Bildern auslotet, wie das schauderhafte Gemetzel an Etzels Hof oder die rachsüchtige Ermordung Hagens durch Kriemhild am Ende der Geschichte. Und schaut man in die Welt von heute mit ihren vielen Kriegsschauplätzen, zeigt sich wie aktuell die Bilder von Florin Sebastian Winkler sind. Immer noch schwören fragwürdige Helden ihre Waffeneide und geben sich wie vor über tausend Jahren archaischen Rachegefühlen und der Lust am Töten hin.

Betrachtet man nun die Bilder dieser Ausstellung und ihres Kataloges, wird deutlich, dass der Künstler die literarische Reduktion und Abstraktion des Nibelungenliedes auch malerisch umsetzt. Alle seine Bilder zeigen zwar menschliche Figuren mit ihren Kostümen und Requisiten, die sie als mittelalterliche Helden und Heldinnen ausweisen, doch sind alle Motive stark schematisiert. Das gilt ebenso für alle anderen Elemente, die man als Teile eines Bühnenbildes ansprechen könnte, wie Landschaft und Architektur. Darüber hinaus werden diese Schemen nicht nur in ihren Konturen abstrahiert, sondern auch farbig fraktioniert und in einfarbige Farbflächen aufgetrennt. Dies erinnert ein wenig an die Lokalfarbigkeit mittelalterlicher Fresken oder Buchmalereien, die jeder Figur meist nur eine Farbe zuordnete und diese oft ohne Schattierungen und Binnen­zeichnungen schematisch gestaltete. Man kann auch an mittelalterliche Glasmosaiken denken, die ebenfalls aus monochromen Flächen gefärbten Glases zusammen gesetzt wurden und lediglich durch Schwarzlot eine Binnenzeichnung erhielten.

Die Mosaiken des Florin Sebastian Winkler bestehen aber nicht aus transparentem Glas, sondern aus einem festen Karton, den er mit Acrylfarbe monochrom bemalt und dann mit anderen, geometrisch oft bizarren Farbkartons zusammen setzt. Dabei folgt er nur selten einer realistischen Farbgebung, sondern eher einem wirklichkeitsfremdem Kolorit, das allen Dingen wie schon im Expressionismus oder in der Pop-Art einer farblichen Verfremdung unterzieht. So verlieren sich viele figurativen Motive in einer freien und abstrakten Farbe, die ein dynamisches Eigenleben entwickelt und selbst zum expressiven Handlungsmotiv wird.

Diese ungewöhnliche und technisch sehr anspruchsvolle Technik lässt sich auch mit ganz modernen Bildwelten vergleichen, die nicht unbedingt aus der Kunstgeschichte stammen. So kann man bei der für Winkler so typischen Addition farbiger Flächen an Paint-by-Numbers-Bilder denken, wo die einzelnen Elemente ebenfalls ohne Übergänge aufeinander stoßen. Darüber hinaus werden jene farbigen Kartons von Winkler nicht plan, sondern dreidimensional zusammen gefügt. Sie werden zum Relief, verlassen die klassische Wand, greifen sogar in den Raum hinein und erinnern bisweilen an die seit einigen Jahren vermarkteten 3-D-Puzzles.

Florin Sebastian Winkler gelingt also eine Synthese ganz alter künstlerischer Techniken mit den trivialen Bildwelten unserer Zeit und schafft so eine völlig neue ästhetische Sichtweise auf einen uralten Stoff. Man erinnere sich, wie grauenhaft pathetisch das Nibelungenlied noch im 19. und 20. Jahrhundert illustriert wurde, so dass ein zeitgenössischer Künstler kaum noch anschließen kann. Doch Winkler gelingt eine sehr jugendliche Umsetzung des Themas. Schließlich sind die Helden des Mittelalters auch im Computerzeitalter des 3. Jahrtausende mit seinen digital animierten Fantasiecomics sehr populär und so alte Stories wie das Nibelungenlied noch lange nicht gestorben.

Dr. Dietmar Schuth