SUSANNE NEISS
MISSING – 26. Oktober bis 23. November –
Auf Anregung des Förderkreises deutsch-amerikanischer Freundschaft Worms-Mobile und des Kunstvereins Worms wurde ein Reisestipendium von der Stadt Worms gestiftet. Die in Worms aufgewachsene und heute in Mannheim lebende Fotografin Susanne Neiss war im Sommer in Mobile (Alabama) und wird nun im Kunstverein einige künstlerischen Ergebnisse dieser Reise präsentieren. Dazu kommen aktuelle und ältere Arbeiten,die in der Bretagne und anderswo entstanden sind und die poetische Wahrnehmung der Künstlerin zwischen Realität und Abstraktion vorstellen werden.
Katalogtexte:
Missing
Die US-amerikanische Partnerstadt der Stadt Worms ist Mobile in Alabama, 1702 von Franzosen gegründet. Kaum ein Wormser hatte je die Möglichkeit, die Stadt am Golf von Mexiko kennen zu lernen. Umso schöner ist die Initiative von Richard Claus, dem Sprecher des Freundeskreises deutsch-amerikanischer Freundschaft Worms-Mobile, Künstler beider Städte miteinander bekannt zu machen und einen Austausch anzuregen. Vor drei Jahren wurde der Kunstverein Worms angesprochen und konnte mit Susanne Neiss eine in Worms aufgewachsene Künstlerin empfehlen, die sich auf das Abenteuer einlassen wollte, die erste zu sein.
Die Stadt Worms, namentlich ihr Kulturkoordinator Volker Gallé, waren von diesem Projekt ebenfalls sehr angetan und spendierten der Künstlerin den Flug. Susanne Neiss war also 2013 in Mobile, hat dort viele Kunstfreunde kennen gelernt, KünstlerInnen wie auch KunsthistorikerInnen, insbesondere an der University of South Alabama , wo sie Vorträge und Workshops hielt und eine Ausstellung ihrer Fotografien im ‚Departement of Art‘ der Universität präsentieren konnte. Ein Jahr später zeigt nun der Kunstverein Worms einen Teil dieser Ausstellung, die Serie „Ysland“ wie auch eine kleine Serie von Fotografien, die in den USA entstanden sind, mit dem Titel „Missing“.
Missing bedeutet „fehlen“, „vermissen“, „verschwunden“ – als Adjektiv wie auch als Substantiv. Namensgeber ist eine Fotografie von Susanne Neiss, die eine Fehlstelle an einer Wand zeigt, an der einmal ein Bild hing, ein Schatten also, eine Spur. Diese Blicke auf marginale Motive am Rande der Realität sind sehr typisch für die in Mannheim lebende Künstlerin. So hat sie natürlich auch keine Sight-seeing-Fotos aus den USA mitgebracht. Lediglich ein Park mit subtropischer Vegetation und wundersamen Lichtstimmungen hat sie als Erinnerungsbilder geschossen. Vielmehr liebt sie die poetischen Streiflichter, die lyrischen Wahrnehmungen im Vorbeigehen, die keine Oberflächen ablichten wollen, sondern eher innere als äußere Bilder darstellen. So schreibt Susanne Neiss: „Es geht mir um Gefühle, die man verdrängt hat, die aber im Verborgenen ihre Macht entfalten. Wo sind Gefühle und Erinnerungsbilder, wenn wir sie verdrängen? Können Gefühle und Bilder, die einmal zusammen gehört haben, auseinander fallen? Können Gefühle an Stellen auftauchen, wo sie ’nicht hingehören‘?“
Susanne Neiss bereist die Welt, zeigt uns in diesem Katalog auch Bilder aus der Bretagne und solche aus den USA, die aber letztlich überall entstanden sein könnten. Denn die Künstlerin macht introspektive Bilder, in denen sie über all zu Hause ist. Dazu gehören auch Fotos, die nichts erzählen, keine erkennbaren Motive abbilden, sondern gegenstandslos erscheinen und höchstens als Lichtreflexe zu identifizieren sind. Hier wird das Emotionale besonders deutlich, weil Gefühle meistens undeutlich sind, und sich kaum in Worte fassen lassen. Gefühle artikulieren sich ästhetisch als freie Farb- und Formkreationen, sind malerische Motive, die man an fremden Orten entdecken kann, und doch schon lange in sich selbst herumgetragen hat.
Dr. Dietmar Schuth
ysland
Der Name „ysland“ ist ein Wortspiel aus „Island“ und „Ys“, der Sage von einer untergegangenen Stadt in der Bretagne. Eine Insel kann sowohl für positiven Schutz stehen als auch für eine ungute Isolation. Hier blickt man zunächst auf etwas, das wie ein zerschossenes Fort aussieht, man weiß nicht aus welcher vergangenen Zeit das Gemäuer stammt, aufgenommen ist das Bild im militärischen Sperrgebiet, in der Bucht liegen französische Atom-U-Boote.
Man kann sich vorstellen, über die Brücke auf die Insel zu gelangen, auf der einem merkwürdige Dinge begegnen können: ein versteinerter Schuh, ein Autowrack. Gab es hier einen Unfall? Die nächsten beiden Bilder erscheinen wie ein Abtauchen in Gefühle, man stößt auf eine eigenartige Form, eine Puppe in einem Luftballon, und eine Vogelscheuche mit zwei Köpfen. Irgendetwas scheint hier mit der Abgrenzung durcheinander geraten zu sein.
Die Farbflächen auf schwarzem Hintergrund sind Aufnahmen fluoreszierender Steine unter Schwarzlicht, bei dem sich Strukturen zeigen, die unter normalen Licht verborgen bleiben. Die Steine vom Anfang sind nun in Farbe verwandelt. Das Bild des Kinderschwimmrings danach ist wie ein rettender Wirbel, der vielleicht etwas Neues ermöglicht, die gelbe Form danach, die Aufnahme eines Loches in einem Bauzaun lässt an einen aufsteigenden Vogel denken, was das Gefühl der Leichtigkeit und des Schwungs verstärkt.
Susanne Neiss